European Health Data Space und Idee einer unabhängigen Gesundheitsdatenstiftung (DGG@Hessischer Landtag)

Im Nachgang zur öffentlichen Anhörung des Hessischen Landtags (Sozial- und Integrationspolitischer Ausschuss – gemeinsame Anhörung mit dem Ausschuss für Digitales zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen und in der Pflege) zu „Das Gesundheitswesen und die Pflege zukunftsfähig machen – Ausbau der Digitalisierung“ am 3. März 2022 nahm die DGG zu zwei Fragen der Fraktion der Freien Demokraten in einem Schreiben an die Ausschussvorsitzenden, Herrn Moritz Promny und Herrn Joachim Veyhelmann, wie folgt schriftlich Stellung:

Wie bewerten Sie die Bemühungen zur Einrichtung eines European Health Data Space, wie es die EU-Kommission vorsieht.

Stellenwert, Entschiedenheit und Tragweite dieser Bemühungen können kaum überschätzt werden. Es handelt sich um eine der zentralen Initiativen, die im Rahmen der Krisenbewältigung (im Hinblick auf Covid-19) auf der europäischen Ebene zur Stärkung der Resilienz der Gesundheitssysteme und deren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit betrieben werden.

Die dafür notwendigen Maßnahmen wurden beim Neuzuschnitt des mehrjährigen Finanzplans mit erheblichen Fördermitteln ausgestattet, quer über verschiedene Finanzinstrumente (Horizont Europa, CEF Digital, Digital Europe, EU4Health etc.) hinweg. Die Umsetzung dient perspektivisch nicht nur im engeren Sinne zur Pandemiebewältigung, sondern der zeitgemäßen digitalen Transformation der Gesundheitsversorgung und als Meilenstein auf dem Weg hin zu einer Europäischen Gesundheitsunion.

Die Potentiale eines europäischen Gesundheitsdatenraums (bzw. von -räumen) und damit verbunden eines „dritten Wegs“ (Datensouveränität von Bürger:innen und Patient:innen vs. einseitige staatliche oder industrielle Kontrolle) wurden 2020 im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft von der deutschen Bundesregierung und vielen weiteren Akteuren umfassend herausgestellt. Dies wurde auch bei der Anhörung kurz vorgetragen.

In diesem Monat wurde eine Entwurfsfassung der EU-Kommission für die in Vorbereitung befindliche Verordnung als neuer Rechtsrahmen für Gesundheitsdaten in der EU bekannt, vgl. https://www.euractiv.de/section/innovation/news/leak-die-plaene-der-eu-kommission-fuer-einen-gesundheitsdatenraum.

Bemerkenswert ist die Schaffung eines integrativen Gesamtrahmens für die „primäre“ und „sekundäre“ Datennutzung, all dies mit weitgehenden Mitwirkungsrechten für Bürger:innen und Patient:innen (und Beachtung der EU DSGVO). Die Gesamtheit dieser Entwicklungen muss in Hessen intensiv beobachtet werden, um den Anschluss nicht zu verlieren (umfassende Interoperabilität bei medizinischen Daten kann nur langfristig erarbeitet werden) und um vor allem bei der Festlegung zentraler Aspekte der Ausgestaltung mitzuwirken.

Die Hinweise der DGG e.V. richten sich im Besonderen auf den ausstehenden Anschluss von Deutschland inkl. Hessen an die MyHealth@EU-Infrastruktur eHSDSI, die dem Gesundheitsdatenraum zu Grunde liegt. Bereits im Vorfeld der neueren Entwicklungen wurden von der EU-Kommission (in den o.g. Finanzinstrumenten) umfassende Mittel für Aktivitäten der Mitgliedstaaten zum Anschluss an diese interoperable europäische Infrastruktur bereitgestellt. Es ist davon auszugehen, dass dies in den kommenden Jahren weiter forciert werden wird. Dies beitet auch eine Chance für Hessen:  Nicht zuletzt durch den Frankfurter Flughafen suchen hier im Land, trotz der Binnenlage, viele EU-Bürger medizinische Hilfe. Hier könnten möglicherweise erhebliche Digitalisierungspotentiale und Synergien mit Hilfe von EU-Mitteln erschlossen werden: In den vergangenen Jahren wurde eine finanzielle Förderung an die MyHealth@EU-Strukturen auch an regionale Antragsteller vergeben. Dies könnte auf Nachfrage weiter ausgeführt werden.

Wie würden Sie die Errichtung einer unabhängigen Stiftung zur Verwaltung und Forschung der Gesundheitsdaten bewerten

Die europäische Datenstrategie und insbesondere der „Data Governance Act“ schaffen mit Data Intermediaries ein Rollenmodell, dass sich durch eine oder mehrere unabhängige Stiftungen zur Verwaltung und Forschung der Gesundheitsdaten sehr gut in die Praxis umsetzen ließe. Analoge Initiativen wurden bereits angedacht und sind weiter zu konkretisieren. Von daher wären weitere Analysen und konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der „Data Intermediary“ Rolle sehr zu begrüßen.

Ein weiteres Modell lebt Frankreich mit dem „Health Data Hub“ vor. Dort werden Plattformen geschaffen, auf denen geforscht werden kann, ohne dass die Daten an verschiedenen Stellen gespeichert werden müssen. Dieses Modell wäre bei der Vorbereitung einer solchen Stiftung ebenfalls zu prüfen.

Quelle: Anlage (S. 32/33) zum Stenografischen Bericht SIA 20/73 DDA 20/27 der Anhörung in der 73. Sitzung des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses und der 27. Sitzung des Ausschusses für Digitales und Datenschutz des Hessischen Landtags am 3. März 2022